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Martin Mindermann

Martin Mindermann - seine Gefäße

1960 -das Jahr, in dem Paul Soldner das American Style Raku anlässlich des Arts Festival in Claremont erfindet: Damals erhielt das traditionelle Raku durch die Experimente des Kaliforniers neue Impulse zur Verbreitung in der westlichen Töpferkunst. Eine von den Japanern nicht praktizierte Nachreduktion während des Abkühlens bereicherte die alte Raku- Technik um so zuvor nicht erzielte Lüsterglasuren und nuancierte Farbstufen. Damals entwickelten sich neue keramische Techniken, die den Bremer Keramiker Martin Mindermann heute faszinieren.
1960 ist auch das Geburtsjahr von Martin Mindermann, der als junger Keramiker in der „Szene“ ein Shooting Star genannt wurde. Schritt für Schritt, konsequent und ohne Brüche entwickelte sich das Werk, die Gefäßkeramik Martin Mindermanns.
1987, mit der Verleihung des zweiten Bampi-Preises im Berliner Kunstgewerbemuseum an den erst 26-Jährigen, begann die Karriere des jungen Keramikers. Ein Jahr später war er Sieger beim Keramikpreis der Frechener Kulturstiftung und im französischen Vallauris. Er
gewann den ersten Preis für zeitgenössische Keramik in Offenburg, erhielt 1992 den bayerischen Staatspreis und die Goldmedaille in München und 1996 im Focke-Museum Bremen den Auguste-Papendieck- Preis.
Martin Mindermanns Gefäßkeramik vereint Gegensätzlichkeiten, die er zu großer sinnlicher Kraft zu synthetisieren versteht.
"Um des Feuers wegen" bevorzugt Martin Mindermann die traditionsreiche Technik des Raku-Brandes, wo der Künstler aktiv in einen faszinierenden Brenn- und Reduktionsprozess mit schwierigen handwerklichen Schritten einbezogen ist. Jenseits der japanischen, zen-buddhistischen Lebensphilosophie interessieren ihn die Vorgänge des Brandes, die auf seinen monumentalen Gefäßen zu der markanten Craquele-Oberfläche in Verbindung mit ungewöhnlichen Glasurfarbspielen führen.
Anders als im japanischen Raku werden seine Gefäßformen mit Präzision und Können im Drehen und Abdrehen geschaffen und übertreffen die üblichen Rakugefäße an Größe.
"Think of the largest raku pot you can imagine possible, and then double it. You may then be somewhat near assessing the scale of German potter Martin Mindermann ", schrieb Tim Andrews.
Jungsteinzeitliche Gefäße, die Martin Mindermann zu Beginn seiner keramischen Ausbildung gesehen hatte, inspirierten ihn zu seinen ersten Formen. Die Becher-, Kummen- und Kugelformen, die sich am Vorbild dieser Vorratsgefäße mit schwerem Korpus und weit ausladenden Wänden orientierten, wurden im Lauf der Jahre größer.
Heute entwickeln sie sich zu Ovalformen, zylindrischen Körpern und Walzen, deren spannungsvolle Umrisse exakt austariert sind und sich an Fruchtformen wie Hagebutten oder Mohnkapseln orientieren, oder auch an Ausschnitte von Körperlinien. Der gewichtige, kräftige Korpus steht auf extrem kleiner Standfläche von oft weniger als zehn Zentimetern Durchmesser und gewinnt seine Ausgewogenheit durch den Gefäßabschluß, den Martin
Mindermann ganz nach innen zurückführt und auf den  Mittelpunkt konzentriert -"ein zusätzlich introspektives Moment dieser Objekte, die Spannung ausstrahlen", so die Kunsthistorikerin Bettina Zöller-Stock.
Einige seiner Gefäße zeigen jetzt auch zarte, kaum wahrnehmbare Einschnürungen. Für den Betrachter, der die monumentalen Kugeln, Kummen, Kegel und Zylinder zum ersten Mal sieht, sind Martin Mindermanns Gefäße voller plastischer Intensität und sinnlicher

Berührbarkeit: Sie fühlen sich weich und gerundet an, wirken eigenständig und vollkommen präsent, wie archaische Skulpturen im Raum. Martin Mindermann will Kunstwerke zum Anfassen und Betrachten schaffen und die Phantasie des Betrachters anregen.
Spannung entwickelt sich auf der als bildhaft aufgefassten Oberfläche. Die Gefäße bieten durch Größe und körperhaftes Volumen der Glasur eine erweiterte Oberfläche zur Entfaltung des Farbenspiels. Martin Mindermann versteht sein Gefäß als Malgrund: "Farben berühren mein Gefühl mehr als die Form." Entsprechend sind die Farbschattierungen seiner Glasuren ausgesucht, ist die Verbindung mit Blattgold, das er in eigens geritzte Vertiefungen einfügt,
gewählt.
Zum Auftrag der Glasuren -einer weißen Grundierung und mehreren Schichten basischer Glasuren mit Metallsalzen –benutzt er eine Spritzpistole. Das getrocknete, glasierte Gefäß kommt in den gasbefeuerten Raku-Ofen, wo der Brand im Ofen bis zu zwölf Stunden dauert. Das Gefäß wird beim Herausnehmen einem Temperaturschock ausgesetzt: Die Glasurhaut zerreißt zu einem Netz von Rissen, die der Qualm der verbrennenden Holzspäne einschwärzt, unter denen das glutheiße Stück begraben wird. Die graphischen Strukturen des Craqueles bilden eine heftig bewegte Oberfläche. In großzügigen Linien verteilen sich die Risse über den ganzen Gefäßkörper wie Zweige, die in die Höhe wachsen; aber sie schweben auch, sparsam und fein durchbrochen, in höheren Schichten der durchscheinenden Glasur.
Mitunter wird die Spannung in Kontur, Glasur und Oberfläche mit goldenen Spuren gesteigert oder durchbrochen.
Martin Mindermann ist das Gold als zusätzliches Material in seinen Objekten wichtig:
Neben den prächtig schimmernden Lüsterglasuren im Innern und auf der Oberfläche akzentuiert eine einzelne Goldlinie die bestehende Craquelestruktur des Scherbens.
Die Vorstellungskraft des Betrachters wird erweckt, seine oft verleugneten Gefühle angesprochen: die Wünsche nach Schönheit, ja Pracht, nach einer Schatzsuche in der Märchenwelt.


Felizitas Heile, Kunsthistorikerin

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